Wieder einmal hatte ich genug von meinem Elternhaus und auch von meiner Verlobten, die zwar ganz nett war, aber von Liebe konnte man dort nicht sprechen. Aber so war das, wenn die Eltern immer dachten, sie wüssten, was das beste für einen wäre. Und da ich keine Geschwister hatte, bekam ich das alles in doppelter Ausführung zu spüren. Immer musste ich höflich sein, mich gut mit den hohen Tieren der Branche stellen. Und irgendwann kam eben die Zeit, wo ich ausbrechen wollte, so auch heute. Ich sagte ihnen nicht, wo ich hinging, ich stieg einfach in meinen schwarzen Range Rover und fuhr davon, auf den Weg ins Nirgendwo.
Die Reise führte mich auf einen abgelegenen Parkplatz bei einem Sushi-Restaurant. Hier war ich oft anzutreffen und die Besitzer des Lokals kannten mich auch seit ich noch in den Windeln gesteckt hatte. Ich stieg aus dem Wagen, warf einen Blick auf die Uhr und dann in den Himmel. Die Wolken verdichteten sich, aber oben es nun schneien, regnen oder hageln würde, mir war es egal. Ich war solch ein Wetter auch gewöhnt und das gefiel mir am besten, vor allem bei schlechter Laune. Das kühle Nass benetzte dann immer meine Haut und ließ diese prickeln. Aber genug darüber nachgedacht. Ich lehnte mich gegen die Motorhaube meines Wagens und steckte mir einen Joint. Zwar noch etwas zu früh zum kiffen und alleine war es auch kein sonderlich großer Hit, aber scheiß drauf. Wenn man es brauchte, dann brauchte man es eben und so nahm ich meinen ersten Zug und spürte schon deutlich, wie mein ganzer Körper zu vibrieren begann und die Entspannung bereits seine ersten Schritten nach draußen angehen wollte.

Er war nie ein sonderlicher Fan von Geschäftsessen gewesen. Es war viel mehr ein notwendiges Übel sich mit Verlegern und Redakteuren zu treffen und sich die neusten Verkaufszahlen, sowie große Erwartungen anzuhören. Letzten Endes konnte er sich eigentlich nicht beschweren. Diese Leute halfen dabei sein Geschriebenes zu vermarkten, womit er nur noch mehr Geld scheffelte. Obgleich er es nicht deshalb tat. Er parkte seinen BMW auf dem Parkplatz des Sushi Restaurants, wo er an diesem Abend verabredet war. Natürlich war er zu spät dran. Wie so oft. Es gab nur wenige Termine, die er einhielt. Seines Erachtens waren die anderen immer zu früh. Nachdem er den Motor abgestellt hatte, öffnete er die Fahrertür, nahm noch die Tasche vom Beifahrersitz und stieg aus. Er schlug den Kragen seines Mantels hoch, um sich etwas gegen die Kälte zu schützen, ehe er die Tür des Wagens schloss und per Knopfdruck verriegelte. Aus Gewohnheit sah er sich auf dem Parkplatz um, erkannte jedoch keines der herum stehenden Autos. Ungewöhnlich. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass er eine halbe Stunde zu spät dran war. Im Normalfall wartete man dennoch auf ihn. Keine Nachricht auf dem Handy. Er sah wieder auf und rümpfte die Nase. Der würzige Geruch von Marijuana war unverkennbar. Mussten diese verdammten Kids jetzt auch schon hier kiffen? Er setzte sich in Richtung des Eingangs in Bewegung, während er seine Nachrichten auf der Voice Mail checkte. Unweit des qualmenden Kerlchens blieb er jedoch abrupt wieder stehen und fluchte. Abgesagt? Wieso zum Teufel fiel denen das erst jetzt ein? Als hätte er verdammt nochmal nichts besseres zu tun. Die Zähne säuerlich aufeinander gebissen stopfte er sein Handy zurück in die Jackentasche und tastete suchend nach seinen Zigaretten.

Ich warf einen Blick auf die Uhr. Noch hatte ich etwas Zeit, bevor ich zu meinem nächsten Termin musste. Allerdings überlegte ich schon, diesen Termin einfach sausen zu lassen. Sollten sie doch endlich merken, dass ich vollkommen andere Dinge im Kopf hatte, als mich darauf vorzubereiten, irgendwann die Firma meines Vaters zu leiten. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie ein weiterer Wagen auf den Parkplatz fuhr. Ich ließ den Kerl, der ausstieg, keine Sekunde aus den Augen, weshalb auch immer. Ich denke, das war eine Mischung aus dem Stoff und aus Langeweile. Er schien ins Restaurant gehen zu wollen. Schnell drückte ich den Joint an der Motorhaube aus und verschränkte die Arme vor der Brust. "Du scheinst aber nicht gerade glücklich aus", rief ich ihm entgegen. Ja, mir war eindeutig langweilig. Aber ich hätte auch so keine Hemmungen davor gehabt, einen völlig Fremden anzuquatschen. Ich tat schließlich immer nur das, worauf ich Lust hatte, zumindest dann, wenn meine Eltern nicht in der Nähe waren.

Nicht gerade glücklich war genau genommen eine bodenlose Untertreibung. Genau genommen war er restlos angepisst. Selbstverständlich war es etwas vollkommen anderes, wenn er nicht zu einem Termin auftauchte, als wenn es andere taten. Nachdem er sich eine seiner Zigaretten zwischen die Lippen geklemmt und angebrannt hatte, warf er dem Jungen einen scharfen Seitenblick zu. Altkluge Kommentare waren noch nie sein Geschmack gewesen. Noch weniger, wenn seine Laune unterirdisch war. "Respekt für deine Auffassungsgabe, trotz bedröhnten Schädels.", erwiderte er trocken, den Zigarettenqualm durch die Nase ausatmend. Einen Moment lang fixierte er den Fremden durchs Halbdunkel auf dem Parkplatz. Er war zweifellos wesentlich jünger. Und offenbar tierisch gelangweilt. "Wollen deine kleinen Freunde nicht mit dir spielen, oder ist das hier der neuste Trend Treffpunkt?" Eigentlich interessierte es ihn einen feuchten Kehricht, weshalb er sich hier herum trieb. Bei seiner momentanen Laune war er jedoch gern auf Konfrontation aus, auch wenn man meinen sollte in seinem Alter wisse er sich zu zügeln. Nun, Ausnahmen bestätigten bekanntlich die Regel. Vor sich hin qualmend sah er wieder zum Eingang des Restaurants. Hätte er die verdammte Nachricht früher bekommen, hätte er sich den Weg hier her sparen können. Und sich wesentlich interessanteren Dingen widmen können. Mit den Lippen drückte er auf dem Filter der Zigarette herum. Scheißdreck.